STREET ART SCHOOL

Das hier ist unser MANIFLEX!

Wir sind die Street Art School St. Pauli – und das ist unser Maniflex!

Wir gehen durch unseren Kiez und hören die Kommentare einiger Touristen und Passanten:

“Hier in St. Pauli ist es ja ein so herrlich buntes Leben … aber diese Schmierereien an den Wänden: grauenvoll … und überall diese Aufkleber … “;
“Weißt Du noch vor 10 Jahren? Die Schanze sah damals ja echt schlimm aus … aber jetzt wo der Adidas-Laden hier ist und die anderen Boutiquen – langsam wird’s eine richtig schöne Shoppingmeile hier, gell?“;
Lieber Tourist, lieber Passant: Hast Du Dich jemals in eine/n StreetartistIn hineinversetzt? Hast Du Dich jemals gefragt was sie/ihn steuert, welche Kräfte sie/ihn geformt haben, was sie/ihn zu dem gemacht hat, was sie/er jetzt ist?

Wir sind die StreetartistInnen der streetart school st. pauli … bitte komm in unsere Welt:

Ich bin eine/r von uns und ich habe heute eine Entdeckung gemacht: Ich habe eine versteckte Botschaft in einem Hauseingang gefunden. Eine alte CD, die jemand mit einem geheimnisvollen Bild wunderschön und bunt gestaltet hat … und dann dort oben in die Ecke geklebt hat. Und da … gegenüber … ‚Hey, warte mal, das ist ja cool. Geiles Bild. Geile Tagline drunter. Da sagt eine/r was ich denke. Und: wie hat er/sie das bloß gemacht? Ey – schau Dir dieses Bild mal an: das muss ja aus mehreren Layern aufgebaut sein … wie geil ist das denn, bidde? … Aber wie funktioniert das und wer ist das und was will er/sie mir damit sagen?‘

Ich fange an mich mit den Bildern auseinanderzusetzen, die Bilder zu verstehen, hinter die Bilder zu schauen, den Sinn, die Botschaft, der Künstler/die Künstlerin, sein/ihr Leben. Mit der Zeit ergibt sich für mich eine Botschaft daraus. Ich lerne, wie diese kleinen und großen Kunstwerke gemacht werden. Ich setze mich abends in mein Zimmer und überlege, ob ich ähnliches machen kann und wie das gehen könnte. Ich kaufe mir meine erste Spraydose, mein erstes Cutter-Messer, überlege welches Medium ich nehmen kann, ich teste und fummel vor mich hin … und ich produziere mein erstes Stück selbst geschaffener Kunst … ein einmaliges Erzeugnis aus meinem Kopf, mit meinen Händen, mit meinen Fähigkeiten … hineingeboren in die Welt!

Und nun will der Gegenstand gewordenen Gedanke in die Welt. Ich bin neu darin. Ich bringe meine Kunst erst einmal heimlich in die Öffentlichkeit und bin gespannt was passiert. Ich beobachte die Reaktion der Menschen, die daran vorbeikommen und merke: ich kommuniziere mit der Welt! Ein Spalt zu einer anderen Welt hat sich geöffnet und ich kann hindurchschauen und bin aufgeregt wie ein kleines Kind: mein Herz schlägt schneller, meine Gedanken strömen schneller, der Prozess vom Gedanken zum Gegenstand wird schneller…

Und dann passiert es: ich verbinde mich mit “den anderen” StreetArtistInnen! Wir bewegen uns gemeinsam durch den öffentlichen Raum; wir kommunizieren miteinander über unsere Kunst. Der Spalt zu dieser anderen Welt öffnet sich weiter, wird zu einer Tür zu einer anderen Welt – und ich trete hindurch: meine Gedanken fließen auf die Wände und strömen von dort durch die Straßen wie ein Rauschmittel durch die Adern eines Süchtigen. Eine Tagline und ein Bild werden losgeschickt auf der Suche nach einem Empfänger. Ein Gedanke, ein Eindruck, welches in dem Empfänger etwas auslöst. Und eventuell meinen Bewusstseinsinhalt übermittelt und sich verbreitet wie ein Virus: von Wirt zu Wirt, ohne den Träger zu töten. Mein Gedanke, meine Phantasie verschmilzt mit dem Empfänger und pflanzt sich mit ihm fort.

Diese schöne neue Welt ist nun komplett betreten – mein Ziel ist gefunden: “Das ist es… hier fühle ich mich zuhause…”

Ich erkenne jede/n an den Wänden; auch wenn ich evtl. nie eine/n getroffen, nie mit einer/m geredet habe, ich werde es vielleicht auch nie tun – und doch kenne ich „sie“ alle. Ich erkenne „meine FreundInnen“ an ihren Eigenheiten, ihren individuellen Markenzeichen, ihren Kürzeln, ihren Logos, ihren Motiven, ihren Phantasien, ihren Botschaften, ihrem Stil …

StreetArt ist unsere Welt! Die Welt des nulldimensionalen Punktes, des eindimensionalen Striches, des zweidimensionalen Bildes, in dem Du trotz fehlender dritter Dimension versinken kannst, der dreidimensionalen Installation, des Gestalt gewordenen, multidimensionalen Inhaltes unseres Bewusstseins …

Auf der Straße sind wir StreetArtistInnen – wir schaffen Dinge, die es ohne uns nicht geben würde. Das unterscheidet uns von NaturwissenschaftlerInnen. Wenn es z.B. Röntgen nicht gegeben hätte, würden die Strahlen jetzt vielleicht Müller-Strahlen heißen; wenn Heisenberg die Unschärferelation nicht definiert hätte, würde das heute vielleicht Walter-White’sche Unschärferelation genannt werden … aber ohne Mozart gäbe es keine Zauberflöte, ohne Beethoven keine Neunte, ohne Banksy keine Sklavenarbeit und ohne Shepard Fairy kein Obey …

Wenn wir auf der Straße sind, sind wir keine Angestellten, keine Manager, keine Arbeitslosen: Bildung, Kontostand und Status sind egal. Wir sind Schatten der Nacht. Und in den Nächten pflanzen wir unsere Ideen in die Stadt hinein. Ideen, die bei Tagesanbruch ihre Macht entfalten und sich mit den Ideen der anderen StreetArtistInnen verbinden – und als „Mem-plexe“ die Welt umspannen.

Wir schreiben, kleben, malen, sprühen unsere Phantasie und Gefühle an Mauern und Wände wie vor uns schon Menschen dies seit Urzeiten tun, um miteinander zu kommunizieren: street art – established since mankind!

Wir verfremden Plakate, wir nutzen Alltagsgegenstände und platzieren diese an ungewöhnlichen Orten. Wir stellen neue Zusammenhänge her, die vorher niemand gesehen hat, wir spielen mit Worten, wir spielen mit Orten. Wir nutzen den öffentlichen Raum – diesen Raum, welcher uns, als Teil der Öffentlichkeit, mit gehört!

Doch dieser Raum wird uns im Allgemeinen genommen und von grellen Botschaften des Konsums aus den Köpfen kapitalistischer, geldgeiler Haie und Verführer der Massen dominiert. Ungefragt und ohne Unterlass schreien uns Bilder und Botschaften an und versuchen uns zu beeinflussen, uns gleichzuschalten im Verhalten und Geschmack: KAUF MICH … WÄHL MICH … SEI SO – GENAU SO – UND NICHT ANDERS … PASS DICH AN UND KAUF, KAUF, KAUF …. SCHÖNHEIT und monetärer REICHTUM IST DAS EINZIGE WAS ZÄHLT …

Wir rückerobern „unseren“ öffentlichen Raum, geben Denkanstöße, spenden schöne Bilder, frische Farben, zaubern ein Lächeln auf‘s Gesicht. Wir bringen Menschen dazu kurz innezuhalten im ewigen Hamsterrad des Arbeitens, in dem sie laufen um zu konsumieren, um zu arbeiten, um zu konsumieren, um zu arbeiten. Wir bringen Menschen dazu kurz anzuhalten im stetigen Lauf der Lemminge geradewegs zu auf die unweigerliche Klippe am Ende des Lebens …

Wir sind auf der Suche nach Sinn und Schönheit. Wir agieren non-kommerziell und spenden unsere Kunst der Öffentlichkeit und Allgemeinheit. Wir existieren ohne Hautfarbe, ohne Nationalität und ohne religiöse Vorurteile …

Ihr, die nicht zu uns gehört und sich nicht mit uns auseinandersetzt, Ihr rennt aus unserer Sicht meist blind durch die Straße. Ihr konsumiert, Ihr rennt im Hamsterrad, mutiert von der Evolution zur Egolution. Ichlinge ohne Empathie. Ihr betrachtet die Oberfläche, den Punkt. Ihr verweigert euch dem Blick aus der Distanz, um das große Ganze zu sehen, verweigert euch der Nähe, um die Details zu erfahren, verweigert euch dem Mut hinter die Dinge zu schauen, verharrt in der Bequemlichkeit Euch nicht zu ändern, versteckt euch in der Herde, um nicht aufzufallen. Ihr liebt das Graue, das Einheitliche – und lasst euch einzureden, Geschenke seien umsonst und für unser aller Bestes. Ihr versteckt euch hinter Masken, Vorurteilen, Fassaden. Eure jugendliche Energie, sich gegen den Status Quo zu wehren, die einst dazu führte, die Meinung der Mächtigen (dies waren die Eltern und die Lehrer) zu hinterfragen – Euren eigenen Weg zu gehen, und trotzdem nicht egoistisch sein – diese Energie ist verflogen.

Wir wollen anders sein:

Unser anderes Verhalten ist, dass wir den Menschen vorurteilsfrei begegnen und sie danach beurteilen was sie sagen und was sie tun, und nicht nach ihrem Aussehen, Ihrer Herkunft, Ihres Glaubens oder Nationalität.
Unsere andere Einstellung ist, dass wir die Welt nicht so hinnehmen wie sie ist, sondern daran glauben, dass man sie zum positiven ändern kann.
Unser anderes Wissen ist, dass der Mensch seit den ersten Bildnissen auf Höhlenwänden die Kunst zur Kommunikation mit seinen Mitmenschen nutzt und dass die Kunstgeschichte die Geschichte von Gestalt gewordenen Gedanken ist.
Denn unsere andere Überzeugung ist der Glaube an die Kraft des Gedanken, der in die Welt hinaus gelassen wird, um mit anderen Ideen zu verschmelzen und sich weiterzuentwickeln: der Idee des Mems.
Unsere Kunst ist für die Öffentlichkeit gedacht. Wir verstecken unsere Kunst nicht in Galerien: unsere Galerie ist die Wand, die Straße, das Stadtmöbel – der öffentliche Raum. Und damit gehört unsere Kunst der Öffentlichkeit, der Allgemeinheit – diese Allgemeinheit ist der Eigentümer. Sie ist ein Geschenk, eine Möglichkeit, eine Hoffnung. Wer diese Hoffnung zerstört oder aus falschem Enthusiasmus „sammelt“ und demontiert ist ein Lump. Das, was wir für den öffentlichen Raum geschaffen haben, gehört genau dorthin und funktioniert nach unserer Meinung exakt dort.

Unsere Energie ist die Kreativität und ein jugendlicher Wille zur Änderung der Status Quo mit dem Wissen des Alters und der Geschichte. Unser Mut ist Nutzung des öffentlichen Raumes und die inkrementelle Veränderung der existierenden Ordnung. Unsere Fähigkeit ist es Kunst zu schaffen: Neues, Streitbares, Schönes … etwas Einmaliges und ohne uns nie Existierendes.

Wir sind die Streetartisten der streetart school st. pauli und dies ist unser MANIFLEX. Wenn Du es verändern möchtest: mache bei uns mit und beeinflusse wer wir sind und wofür wir stehen.

Autoren: DasOlf Hamburg, und weitere Artisten der street art school

strukturell angelehnt an das hacker manifest von +++The Mentor+++ in der Übersetzung von The Trunk Toaster

do you wanna download this maniflex? MANIFLEX der Street Art School